Zerbröseln die Kernkompetenzen der Kirche? Den Menschen Vorrang geben

„An ihren Früchten erkennt ihr sie!“, war das Thema der Fastenpredigt am 3. Fastensonntag in der St. Magnus Kirche. Zunächst war von schlechten Früchten die Rede. Bedrückende Stille breitete sich in der Kirche aus, als Dr. Andreas Fisch, Theologe und Wirtschaftsethiker von der Kommende Dortmund, dem Sozialinstitut des Erzbistums Paderborn, sichtlich bewegt über ihm bekannte Missbrauchsfälle sprach. Ein Trost sei ihm gewesen, dass der Jesuit Klaus Mertes aufgrund glaubwürdiger Berichte die Missbrauchsfälle im Canisius-Kolleg in Berlin ans Licht geholt habe. Zwar habe die Kirche inzwischen in der Prävention enorme Anstrengungen unternommen. Dem stehe jedoch der Umgang mit den Opfern entgegen, der zunächst von Vertuschung, wenig Mitgefühl und bis heute von unzureichenden Entschädigungen und wenig Gerechtigkeit durch die weltliche Gerichtsbarkeit geprägt sei. Dabei sollten doch Wahrhaftigkeit, die Fähigkeit zum Schuldeingeständnis, zu Umkehr und Neuanfang Kernkompetenzen der Kirche sein und nach 12 Jahren bessere Früchte hervorbringen. Im Evangelium Jesu Christi wurde einem solchen Baum noch ein Jahr gegeben, bevor er umgehauen würde.

„Und nebenbei zerfällt noch eine andere Kernkompetenz der Katholischen Kirche: Ihr politischer Einsatz für die Schwachen und Bedrängten in der Gesellschaft ist kaum mehr wahrzunehmen. Verständlich! Wer will sich von einer solchen Kirche ins Gewissen reden lassen?“ Es bestehe die Gefahr, dass die Kirche unfähig wird, ihren Hauptauftrag zu erfüllen, nämlich das Evangelium, die Frohe Botschaft von Jesus Christus zu verkünden. Jesus habe „Zeichen“ getan: Zeichen der Zuwendung für die Unterprivilegierten, der Heilung. „Mit solchen konkreten Zeichen wird Gottes Liebe und seine Gerechtigkeit erst erfahrbar und glaubhaft.“

Als einen besonderen Leuchtturm des Christseins schilderte Andreas Fisch den kürzlich verstorbenen Jesuitenpater Christian Herwartz. Zunächst Arbeiterpriester in Toulouse und Paris, gründete er mit anderen Jesuiten in Berlin eine Kommunität, die Obdachlosen und Flüchtlingen offenstand, war Mitinitiator der monatlichen interreligiösen Friedensgebete  und der „Exerzitien auf der Straße“. Alle diese Initiativen werden nach seinem Tod weitergeführt. Obwohl selber argumentativ ein kantiger Typ, versammelte er keine Ja-Sager um sich, wie wir immer wieder von Führungspersonen hören, sondern ließ Widerspruch zu, ließ sich korrigieren.

Aber es gebe auch weniger spektakuläre, genauso wertvolle Früchte: „Mehr denn je müssen die Gläubigen das Evangelium verkündigen, selbst solche Zeichen setzen, gute Früchte hervorbringen: Sorgen der Menschen hören, Zeit, Geld und Wohnraum spenden, je nach Möglichkeit.“ Andreas Fisch ermunterte, wie die Everswinkeler Kolping-Initiative gegen Lohndumping Konflikte zu riskieren für jene, die an den Rand gedrängt werden, den Menschen den Vorrang zu geben und die dienende Funktion der Wirtschaft einzufordern. Dem Sprecher der Initiative „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, Werner Schniedermann, zollte er großen Respekt. Über zehn Jahre habe die Initiative durchgehalten, und es gegen erhebliche Widerstände zusammen mit der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) und der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) geschafft, dass die Stärkung der Tarifbindung für Millionen Menschen im Niedriglohnsektor sich im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung  wiederfinde.

Den Schlussimpuls setzte  Pfarrer Czarnecki: „Die Welt wird nicht friedlicher, wenn wir die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden verlassen, wenn niemand mehr das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter weitererzählt. So können die Christen Früchte hervorbringen, die die Menschen erkennen lassen, dass der Geist Christi Liebe und Versöhnung in die Welt verströmt.“

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